Die Geschichten hinter den Bildern

Am Lindenau-Museum wird auch künftig die Provenienz von Kunstwerken erforscht

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste hat nach einer zunächst einjährigen Laufzeit das Projekt zur Provenienzforschung am Lindenau-Museum nun um zwei weitere Jahre verlängert. Während des vergangenen Jahres konnte bereits eine Reihe von Werken vom Verdacht befreit werden, NS-verfolgungsbedingt – also früheren Besitzern unrechtmäßig – entzogen worden zu sein. Die ergiebigen Nachforschungen werden in einzelnen Fällen auch Restitutionen, also Rückerstattungen an die rechtmäßigen Besitzer der Kulturgüter, zur Folge haben.

Neue Fälle

Gleichzeitig stellte sich bei den Recherchen zur Herkunft der Gemälde und Plastiken heraus, dass zwischen 1933 und 1963 weit mehr Kunstwerke ins Museum gelangt sind, als ursprünglich angenommen. Leider sind die betreffenden Objekte weder chronologisch in einem Inventar gelistet oder gar über eine Datenbank abrufbar. Inventarbücher wurden nicht kontinuierlich geführt, Karteikarten später erstellt. Erst die Sichtung der Ankaufsakten ermöglichte einen tatsächlichen Überblick über die Neuzugänge mit ungewisser Provenienz. Für die nächsten zwei Jahre gibt es deshalb noch weiteren Forschungsbedarf.

Fritz von Uhde, Der Hund „Kitsch“, Öl auf Leinwand, 72 x 54 cm, Lindenau-Museum Altenburg

Blickpunkt Leipzig

Zahlreiche Werke, die in den 1950er Jahren erworben wurden, kamen aus Leipzig nach Altenburg. Die Beziehungen des damaligen Museumsdirektors Hanns-Conon von der Gabelentz zu Leipziger Kunstkennern und Händlern werden deshalb stärker in den Fokus genommen. Gabelentz, der vor dem Krieg für den Verlag Georg Thieme in Leipzig gearbeitet hatte, fuhr weiterhin regelmäßig in die Messestadt, um sich Werke anzuschauen und mit Fachleuten ins Gespräch zu kommen. Enge Verbindungen bestanden etwa zum Kunstsalon Franke, dessen Geschäftsräume in der Goethestraße nur einen Katzensprung vom Hauptbahnhof entfernt lagen. Der Metallwarenfabrikant Willy Franke, ein gebürtiger Altenburger, hatte die Kunsthandlung 1913 gegründet und führte sie nun gemeinsam mit seinem Sohn, dem Kunsthistoriker Walter Franke. Sie war vornehmlich auf Altmeister spezialisiert und tatsächlich erwarb Gabelentz dort einige Stücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die meisten Kauf- und Tauschgeschäfte, die über den Kunstsalon Franke abgewickelt wurden, drehten sich jedoch um deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts. So kaufte das Lindenau-Museum beispielsweise ein Hundebildnis des sächsischen Malers Fritz von Uhde – ein frisches, mit raschem Pinselstrich auf die Leinwand gebanntes Porträt des Familienhundes Kitsch, den Uhde sonst in großformatigen Gartenszenen gemeinsam mit seinen Töchtern darstellte.
Neben gewerblichen Kunsthändlern nahm Gabelentz auch die Dienste von privaten Vermittlern in Anspruch. Dazu gehörte etwa die promovierte Kunsthistorikerin Hildegard Heyne, die viele Jahre lang die Grafische Sammlung des Museums der bildenden Künste geleitet hatte.

Otto Scholderer, Fliederzweige, 1860, Öl auf Holz (Mahagoni), 39,5 x 53 cm, Lindenau-Museum Altenburg

Heyne galt als Expertin für die Leipziger Porträtmalerei des 19. Jahrhunderts und kannte zahlreiche Kunstbesitzer der Region persönlich. 1939 hatte sie für das „Bildermuseum“ Ankäufe beschlagnahmter Werke aus den Sammlungen der jüdischen Familien Heine und Hinrichsen getätigt. Wer sich nach dem Krieg von Familienerbstücken trennen musste, dem half Hildegard Heyne bei der Suche nach einem Käufer. Dem Lindenau-Museum vermittelte sie neben Porträts auch Landschaftsbilder und Stillleben wie Otto Scholderers Fliederzweige.

Albert Weisgerber, Waldweg, 1909, Öl auf Leinwand, 80 x 70 cm, Lindenau-Museum Altenburg

Überdies nutzte Gabelentz den direkten Kontakt zum Museum der bildenden Künste in Leipzig zur Sammlungsgestaltung. Es war damals keineswegs unüblich, einmal erworbene Werke wieder zu verkaufen oder gegen Stücke einzutauschen, die besser zum Profil des eigenen Hauses passten. Auf diese Weise gelangte Albert Weisgerbers Waldweg aus Leipzig nach Altenburg. Die sattgrüne Leinwand, die sogleich den Wunsch nach einem Waldspaziergang weckt, erhielt Gabelentz zusammen mit Leo Sambergers Porträt des Malers Max Kuschel vom Museum der bildenden Künste im Tausch gegen ein Madonnenbildnis aus dem 15. Jahrhundert. Das Leipziger Museum hatte beide Gemälde 1914 bzw. 1916 in der Kunsthandlung Heinemann in München gekauft. Im Hinblick auf einen möglichen NS-verfolgungsbedingten Entzug ist ihre Provenienz also unbedenklich.
Wie in diesem Fall zeigen Provenienzrecherchen häufig Ent- statt Belastungen von Werken auf und führen damit zu ihrer nachhaltig gesicherten Stellung innerhalb der Museumssammlung.

Tag der Provenienzforschung

Wer mehr über die Kunsthandelsstadt Leipzig erfahren will, dem sei die Führung empfohlen, die am Mittwoch, den 10. April 2019 um 18 Uhr im Museum der bildenden Künste stattfindet. Anlässlich des 1. Internationalen Tages der Provenienzforschung stellt die Provenienzforscherin Dr. Birgit Brunk unter dem Titel „Raubkunst im Museum?“ ihre Arbeit vor und erklärt, wie Kunstwerke ihren Weg ins Museum fanden. Dabei werden auch Akteure zur Sprache kommen, die für die Provenienzforschung am Lindenau-Museum Altenburg von Bedeutung sind.

Sarah Kinzel

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 4 plus 8.
Diesen Artikel teilen