Feuer und Farbe - Walter Jacob (1893–1964)
Am 8. Juni 2024 wurde die Ausstellung Feuer und Farbe - Gemälde und Grafiken von Walter Jacob eröffnet. Karoline Schmidt gibt in ihrem Blogbeitrag einen Einblick in Leben und Wirken des in Altenburg geborenen Künstlers, dessen Werke noch bis zum 25. August 2024 im Prinzenpalais des Residenzschlosses Altenburg zu sehen sind.
Im Jahr 1893 malt Edvard Munch (1863–1944) die erste Version seines berühmten Gemäldes Der Schrei. Später wird über dieses Bild zu lesen sein: „[Es] explodiert und pulsiert mit intensiver Farbe, mit scharfem Rot, giftigem Gelb, schmetterndem Orange, sengendem Blau, düsterem Grün. Dadurch schreit es lauter, hartnäckiger, intensiver und greller.“ Einen lauteren Farbknall hätte es für das Geburtsjahr von Walter Jacob nicht geben können. Als Sohn des angesehenen Hofdekorationsmalers Friedrich Richard Jacob wächst er mit Farben, Pinseln und Terpentingeruch in der Nase auf. Nach dem unerwarteten Tod des Vaters mit lediglich 47 Jahren wird Jacob in seinem dringenden und stetig wachsenden Wunsch, Künstler zu werden von der verbleibenden Familie nicht unterstützt.
In Berlin arbeitet Jacob als Anstreicher, um anschließend wieder auf das Land zu fliehen, um zwischen dem Grün der Wiese und dem Blau des Himmels zu zeichnen und zu malen. Nachdem Jacob im Jahr 1912 eine Reise nach Dresden unternommen hat, offenbart sich ihm nach eigenen Aussagen endlich, „was Kunst + Malerei ist.“ Ohne Geld, eine feste Arbeit und ein sicheres Zuhause sucht er Halt und eine Möglichkeit, seine künstlerischen Fähigkeiten in festere Strukturen zu bringen. Seine Bemühungen liegen in der Reinheit seiner Farbe.
Seine Motive sind sonnendurchflutet, seine Pinselstriche dynamisch, die Farben werden in mehreren Schichten aufgetragen. Wie er die Teilnahme am Ersten Weltkrieg, für den er sich freiwillig meldet, nach einer Verwundung psychisch verarbeitet, bleibt in seiner Korrespondenz mit Freunden und Familie verborgen. Der 21-jährige erleidet jedoch anschließend immer wieder starke Herz- und Nervenanfälle. Nach seiner langsamen Genesung folgen Jahre, in denen er im Kreis der Dresdner Kunst- und Kulturszene und durch zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen Selbstbewusstsein und eine eigene, klare künstlerische Handschrift entwickelt.
Im Jahr 1920 findet Walter Jacob sein größtes Glück: Die Begegnung mit dem Kunstsammler Heinrich Kirchhoff (1874–1934) ermöglicht ihm finanzielle Unabhängigkeit, unendlich viel Farbe und einen Aufenthalt in Eltville am Rhein in der Nähe des Klosters Eberbach. Hier entstehen Bilder, die Jacobs ganze künstlerische Farbkraft offenbaren und die Wahrnehmung seines Werkes bis heute prägen. Er taucht ein in die Landschaft um Eltville und in ein Kaleidoskop aus Farben und Formen. Nachdem der Vertrag mit Kirchhoff vorzeitig beendet worden ist, zieht er in die Alpen, um seine so genannten „Bergriesen“ zu malen und sie mit dem Meer zu verbinden. Es entstehen Landschaftsgemälde, die von natürlicher Farbgebung, Harmonie und unterschiedlichen Blautönen geprägt sind.
Die Vernetzungen nach Dresden und Wiesbaden lohnen sich unterdessen, da sich in beiden Städten Ausstellungen für ihn ankündigen: Jacobs Arbeit findet Beachtung. Im Jahr 1925 wird er von Max Liebermann (1847–1935) persönlich zur Frühjahrsausstellung der Berliner Akademie der Künste eingeladen. Hier trifft er auf Lovis Corinth (1858–1925), Emil Nolde (1867–1956) und Max Klinger (1857–1920). Auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Karriere gibt er der verachteten Hauptstadt eine Chance und plant Ausstellungen. Warum er sich enttäuscht von den Vorhaben zurückzieht, ist ungewiss.
In Deutschland bahnt sich ein politischer Umbruch an. Ein Jahr vor der so genannten Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933, tritt Walter Jacob der NSDAP und der Sturmabteilung, kurz SA, bei. Was waren die Gründe dafür, sich einem System anzuschließen, das die Grundrechte der Menschen und der Demokratie verletzt? Perspektivlosigkeit und gesellschaftliche Ungleichgewichte oder die Sehnsucht nach ideologischem Halt und Struktur? Im Jahr 1934 lernt er seine Frau Charlotte Brünner (1912–1991) kennen und wenig später kommt ihre erste gemeinsame Tochter Michaela (1935–2009) zur Welt. Um seinen beruflichen Status als Kunstmaler zu sichern und seine Familie zu versorgen, Arbeitsmaterialien zu erwerben und Zugang zum immer stärker reglementierten Kunst- und Ausstellungsbetrieb zu erhalten, ordnet sich Jacob unter. Insbesondere der zur Ausstellung erschienene Katalog setzt sich mit dieser Zeit in Walter Jacobs Leben auseinander.
Nach Beendigung des Krieges und der Geburt ihrer zweiten Tochter Friederike (*1945) geht die Familie nach Bad Hindelang ins Allgäu. In den geliebten Bergen bekommen Jacobs Gemüt, seine Motive und auch die Farbpalette zunehmend mehr Schatten. Es entstehen groß angelegte Gemälde, die als visuelle Zeugen auf der Leinwand ausdrücken, was er erlebt hat und vielleicht selbst nicht in Worte fassen kann. In düsteren, oft nächtlichen Szenerien, aus denen Verzweiflung und der nahe Tod sprechen, hebt sich aber immer auch seine große Liebe zur Farbe ab. Ein Jahr nach seiner Retrospektive, die 1956 in Paris in der Galerie André Maurice stattfindet und in der 200 seiner Arbeiten zu sehen sind, greift er die Bergdämonen noch einmal auf und hält sie in einem Ölgemälde fest. Aus kaum voneinander zu trennenden Körpern ohne Gesichter tritt eine Figur mit einer Krone besonders hervor, der sich Jacob einige Jahren später erneut widmen wird. Sein Gesundheitszustand wird schlechter, neben einer Genesung seiner Galle und Leber wünscht er sich ein „neues Aufflammen seiner Seele“. Seine neue Farbskala kommt ohne jedes Blau aus. Jacob zieht sich immer wieder in die Einsamkeit zurück. Am 13. Juli 1964 stirbt Walter Jacob in Bad Hindelang im Allgäu. Seine Familie beschreibt friedliche letzte Stunden, in denen Jacob die Berge sehen und Wein trinken will.
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