Von Büchern und Menschen – Teil 2
Regelmäßig werden über Buchhandlungen, Verlage und Antiquariate Bücher und Zeitschriften für die wissenschaftliche Bibliothek des Lindenau-Museums Altenburg erworben. Daneben gelangen Titel über den sogenannten Schriftentausch von anderen Institutionen in unseren Bestand. Schließlich wird die Bibliothek auch immer wieder durch private Schenkungen bereichert. Bei der Erfassung im Katalog wird die jeweilige Zugangsart heute stets vermerkt. Damit sind wir jederzeit in der Lage nachzuvollziehen, auf welchem Wege ein Exemplar in unseren Besitz gelangte.
Wird dies bei den jüngeren Zugängen zwar konsequent verfolgt, so trifft es bei den älteren nicht immer zu. Sind keinerlei schriftliche Unterlagen erhalten, lassen sich jedoch vereinzelt über Einklebungen, Stempel oder handschriftliche Vermerke die Herkunft und Geschichte der Bücher rekonstruieren. So finden sich in der wissenschaftlichen Bibliothek des Lindenau-Museums beispielsweise drei Bücher völlig unterschiedlicher Thematik, die dennoch ein gemeinsames Schicksal teilen. Ein Schicksal, über das nun kurz berichtet werden soll.
Im ersten hier vorzustellenden Werk von Adolf Rosenberg werden Adriaen und Isaac van Ostade thematisiert. Die vorliegende Manifestation erschien innerhalb der um 1900 populären Reihe „Künstler-Monographien“ des „Velhagen und Klasing“-Verlags. Betrachtet man das Titelblatt unseres Exemplars, so zieht ein kreisrunder Aufkleber aus beige-braunem Papier unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf sich. Durch die opake Faserstruktur wird der ovale Stempelabdruck darunter erkennbar. Er zeigt die Aufschrift “BIBLIOTH-DUC. / ALTENBURG“.
Das Buch trägt somit den Besitzvermerk der herzoglichen Privatbibliothek, welche sich im Schloss der einstigen Residenzstadt befand. Aufgrund des Erscheinungsjahres 1900 ist es denkbar, dass das Buch unter Herzog Ernst I. nach Altenburg gelangte. Seine private Bibliothek befand sich unter dem Dach des Residenzschlosses, in einem der seitlichen Eckpavillons des Gebäudes.
Die gleiche Provenienz weist auch unser zweites leinengebundenes Buch auf: Das von Ernst Lemberger in der Stuttgarter Deutschen Verlagsanstalt 1911 herausgegebene Werk „Meisterminiaturen aus fünf Jahrhunderten“ ziert auf dem Titelblatt rechts neben dem Verlagslogo der ovale Stempel der herzoglichen Bibliothek. In diesem Beispiel jedoch gänzlich unkaschiert.
Herzog Ernst I. war zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre verstorben. Als gesichert kann daher gelten, dass der Festeinband unter seinem seit 1908 regierenden Neffen und Nachfolger Ernst II. in die fürstliche Privatbibliothek gelangte. Der Herzog hatte sich zu seiner Zeit in der zweiten Etage des Residenzschlosses einen neuen Bibliotheksraum einrichten lassen, welchen die Besucherinnen und Besucher noch heute besichtigen können.
Der gleiche mittlerweile bekannte Stempelabdruck findet sich schließlich auch in unseren Exemplaren von „Rom in Wort und Bild. Eine Schilderung der Ewigen Stadt und der Campagna“ – diesmal weniger präsent auf der Rückseite des Titelblattes. Das zweibändige Werk von Rudolf Kleinpaul lag von Seiten des Verlages in zweierlei Varianten vor: einerseits ungebunden in 46 Einzellieferungen, andererseits als gebundene Prachtausgabe. Mit den uns vorliegenden Bänden in rotem Gewebeeinband mit aufwändiger Prägung und umlaufendem Goldschnitt entschied sich der Herzog für die deutlich teurere Variante.
Es ist nicht uninteressant zu erwähnen, dass der damalige Preis von 70 Mark in Leipzig 70 Flaschen Eau de Cologne oder 70 Hektolitern Gasanstalts-Koks entsprach. In Naumburg hätte der Herzog für die gezahlte Summe im Hotel zur Reichskrone mehr als sieben Wochen nächtigen können – Frühstück exklusive.
Wie aber war das weitere Schicksal der Bücher?
Mit dem Niedergang der Monarchie und der Abdankung des letzten regierenden Herzogs endete auch die Geschichte der Herzoglichen Bibliothek im Residenzschloss Altenburg. Wie der Altenburger Historiker Uwe Gillmeister berichtete, wurden schon im ausgehenden Jahr 1918 Teile des Privatarchivs und der Bibliothek überführt. Herzog Ernst II. wählte hierfür Räumlichkeiten, welche bis dato die Geschichts- und Altertumsforschende Gesellschaft des Osterlandes nutzte und sich im Landesmuseum – dem heutigen Lindenau-Museum Altenburg – befanden. Allerdings wurden nicht alle Bibliotheksbestände gesichert und verlagert. Im Februar 1919 berichtete ein Bediensteter, dass man mit dem Abtransport der Bücherkisten in den verteilten Bibliotheksräumen auf dem Schloss nicht nachkäme. Mit Gewissheit kann davon ausgegangen werden, dass der abgedankte Herzog vornehmlich solche Druckwerke mit sich nahm, die für ihn von höherem Interesse waren. Weniger bedeutsame ließ er zurück. Zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen dem Auszug des Herzogs 1918 und der beginnenden Einrichtung des Staatlichen Heimatmuseums im Altenburger Residenzschloss 1920 wurde vermutlich entschieden, die verbliebenen Bücher an die ortsansässige Landesbibliothek abzugeben. Hierauf verweist der Prägestempel mit der Aufschrift „Landes- / Bibliothek / Altenburg“, welcher sich bei zweien unserer vorgestellten Bücher ebenfalls auf dem Titelblatt befindet.
Die Landesbibliothek war im späten 17. Jahrhundert als Dublettenbibliothek errichtet worden. Ein Exemplar aller Titel, die in der Gothaer Hauptbibliothek auf Schloss Friedenstein doppelt vorhanden waren, wurde nach Altenburg abgegeben. Im 19. Jahrhundert erhielt sie die beachtliche Menge von 25.000 Titel aus der Privatbibliothek Bernhard August von Lindenaus und konnte ihren Bestand schlagartig verdoppeln. Sie bestand bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Auflösung der Länder zog zugleich die Auflösung der Landeseinrichtungen im Jahr 1952 mit sich. Der Bestand der Landesbibliothek wurde größtenteils an die Universitätsbibliotheken in Jena und Leipzig übereignet. In Altenburg verblieben nur vereinzelte Restbestände. Sie gelangten unter anderem an das Altenburger Staatsarchiv und in die 1951 gegründete Maxim-Gorki-Bibliothek, welche nun anstelle der Landesbibliothek die Literaturversorgung der Bevölkerung übernahm. Auch dem Lindenau-Museum wurde ein Teil der Bücher übereignet. Dabei lassen die unterschiedlichen Motive unserer Hausstempel einen zeitversetzten Zugang bzw. eine zeitversetzte Erfassung für den Bibliotheksbestand vermuten. Sie zeugen von der Kontinuität bibliothekarischer Arbeit und einem lebhaften Schicksal der Bücher.
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