Faszination Holz

Gerhard Kurt Müller in Altenburg

Am 8. Juli wurde die Sonderausstellung „Gerhard Kurt Müller. Maler/Bildhauer/Zeichner“ eröffnet, die noch bis zum 7. Oktober dieses Jahres zu sehen ist. Neben knapp 30 meist großformatigen Gemälden werden 22 Skulpturen, Zeichnungen, Grafiken und zwei Handpuppen gezeigt, die 66 Schaffensjahre des heute 91-jährigen Künstlers umfassen.

Müller (geb. 1926) kehrte 1948 aus Kriegsgefangenschaft nach Leipzig zurück und fing noch im selben Jahr ein Studium an der Akademie für Graphik und Buchkunst bei Elisabeth Voigt und Carl Kurt Massloff an. Seine Kommilitonen waren Bernhard Heisig, Günter Horlbeck, Wolfgang Mattheuer, Hans Mayer-Foreyt, Arnd Schultheiss und Werner Tübke. Nach seinem Diplom 1952 begann er an der Hochschule zu lehren, wurde 1961 zum Professor und 1964 zum Rektor ernannt. Zwei Jahre später gab er das Rektorenamt zurück und zog sich sukzessive auch aus dem Lehrbetrieb zurück. Als freischaffender Künstler bildete sich in den nächsten Jahren nicht nur Müllers ganz eigener Malstil heraus, sondern er betätigt sich seit 1973 zudem als Bildhauer. In Müllers Werk nimmt das Material Holz eine ausgesprochen wichtige Rolle ein. Ihn interessieren der hölzerne Bildträger sowie der Druckstock allerdings nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern Müller faszinieren auch Beschaffenheit, Maserung und Oberfläche des Materials.

Zu Traven „ Das Totenschiff“ I, 1964, Holzstich, 20,1 x 13,2 cm, Gerhard-Kurt-Müller-Stiftung

Der Druckstock

Bereits in den 1950er Jahren wurde Müller für seine illustrativen Holzstiche zu Gogol, Weerth, Heine, Kleist, Schiller und Balzac bekannt, deren feine Linien, Schraffuren und Tonabstufungen an den Kupferstich erinnern. In den 1960er Jahren perfektionierte Müller das Verfahren und etablierte es als Leiter der Klasse für Freie Grafik und Illustration an der HGB. In der aktuellen Ausstellung sind exquisite Blätter von 1964 zu Travens Totenschiff zu sehen. Während der Roman die Geschichte eines amerikanischen Seemanns erzählt, der durch den Verlust seiner Papiere gezwungen ist, sich als Arbeitssklave zu verdingen, setzen Müllers Holzstiche nicht den Protagonisten ins Bild, sondern einzelne symbolhafte Elemente wie den höllenähnlichen Maschinenraum der Yorikke oder den Schiffbruch der Empress of Madagascar. Zudem demonstrieren die Holzstiche die Meisterschaft des Künstlers und lassen die Besonderheiten der seltenen Technik nachvollziehen.

Der Holzblock

Besonders deutlich wird Müllers Vorliebe für die Beschaffenheit von Holz bei der Betrachtung seines bildhauerischen Werks. Seine Skulpturen arbeitet der Künstler meist aus einem massiven Stamm heraus, auch dann, wenn er sich vornimmt, eine 2,60 Meter hohe Soldatenfigur auszuformen.

Gesicht und Hände, 1974, Holz, gebeizt, H. 58 cm, Gerhard-Kurt-Müller-Stiftung

Besonders aufschlussreich im Hinblick auf Müllers Vorbilder und Arbeitsweise sind seine frühen Plastiken, die neben Barlach stark von Brâncuși geprägt sind. Gesicht und Hände von 1974 zeigt einen aus einem massiven Holzstamm herausgearbeiteten Frauenkopf. Mit den streng senkrecht gehaltenen Händen verdeckt die Figur ihre Augen und Wangen. Die Skulptur ist nicht das Abbild einer Person, die an markanten Gesichtsmerkmalen wiederzuerkennen ist, sondern stellt eine Art universell verständliches Symbol für Kummer und Leid dar. Neben der Darstellung stehen auch die Oberflächenstruktur und die natürliche Maserung des Materials im Vordergrund. Der Betrachter kommt demnach nicht umhin, neben der reduktionistischen Form auch den ursprünglichen Holzstamm zu sehen.

Knabe und Trommler, 1983/84, Öl auf Leinwand, 146 x 146 cm, Angermuseum Erfurt
Knabe und Trommler, 1983/84, Öl auf Leinwand, 146 x 146 cm, Angermuseum Erfurt

Die Holzoptik

Sogar Müllers Malerei deutet in zweifacher Hinsicht auf das Material Holz hin. Zum einen setzt er ab Mitte der 1970er Jahre vermehrt kubische, oft an Holzspielzeug erinnernde Elemente ins Bild. In Knabe und Trommler von 1983/84 sind zwei Figuren zu sehen, die vor einem fragmentierten Hintergrund agieren. Während der Trommler auf der linken Bildhälfte blind mit der geballten Faust und mit dem zum Holzschlegel gewordenen Arm gleichermaßen auf die Trommel zwischen seinen Beinen einschlägt, scheint der Junge auf der rechten Seite mit den Füßen eine kleinere Trommel zu zerstören. In diesem Bild wirken neben den Elementen, die wie der Schlegel tatsächlich auf Holzgegenstände zurückgehen, auch die Kugeln auf dem Boden sowie die Figuren hölzern. Gesteigert wird dieser Eindruck zum anderen durch Müllers eigentümliche Malhaut, die aus kleinen, farblich in leichten Abstufungen nuancierten Pinselstrichen zusammengesetzt ist, und so eine pastose, vermeintlich skulptierte Oberfläche erzeugt.

Gerhard Kurt Müllers Werkschau im Lindenau-Museum eröffnet den Besucherinnen und Besuchern zahlreiche faszinierende Wege zum Œuvre eines außergewöhnlichen Künstlers. Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Oktober in Altenburg zu sehen.

Laura Rosengarten

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