Provenienzforschung

Die Herkunft der eigenen Bestände zu erforschen, gehört zu den Grundaufgaben eines Museums. Seit April 2018 werden am Lindenau-Museum in einem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekt Gemälde und Plastiken untersucht, die nach dem 30. Januar 1933 ins Haus gelangt sind. Dabei gilt es, Kunstwerke zu ermitteln, deren Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Verfolgte mussten ihr Hab und Gut häufig unter Wert veräußern, um ihr Überleben zu sichern oder ihre Ausreise zu finanzieren. Vieles wurde bei der Flucht oder Deportation zurückgelassen, ging zunächst in den Besitz des Deutschen Reiches über und gelangte schließlich auch an Museen.

In der Gemeinsamen Erklärung von 1999 haben sich Bund, Länder und Kommunen als Träger der öffentlichen Museen in Deutschland verpflichtet, in ihren Einrichtungen NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter zu identifizieren und den Erben der rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Sie bekräftigen damit ihre Bereitschaft, zu den 1998 auf der Washingtoner Konferenz geforderten „fairen und gerechten Lösungen“ beizutragen.

Solche Selbstverpflichtungen sind notwendig, weil durch Restitutionsgesetze, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Besatzungszonen erlassen worden waren, tatsächlich nur wenige Rückgaben erreicht wurden. In der sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise in der DDR waren Entschädigungen für Vermögensverluste während der NS-Zeit nicht vorgesehen. Das kurz vor der Wiedervereinigung erlassene Vermögensgesetz (VermG) sollte hier Abhilfe schaffen, war allerdings aufgrund der engen Fristen, in denen Ansprüche angemeldet werden mussten, nur begrenzt wirksam.

Entzogene Werke schlummern zuweilen bis heute „unentdeckt“ in Museumsdepots, werden aber auch in den Ausstellungsräumen präsentiert, ohne dass ihre fragwürdige Provenienz bislang geklärt wurde. Das hängt damit zusammen, dass diese Zugänge meist nur unzureichend dokumentiert sind und ihre Herkunft ohne eingehende Recherchen nicht zu entschlüsseln ist. Aufgabe der Provenienzforschung ist es, die Identität von Kunstwerken und ihren ehemaligen Besitzerinnen und Besitzern zu klären und gegebenenfalls Restitutionen vorzubereiten. Davon ist jedoch nur ein kleiner Teil der Bestände betroffen. Provenienzrecherchen tragen ebenfalls dazu bei, die übrigen Gemälde und Plastiken vom Raubkunstverdacht zu befreien.

Der Forschungsschwerpunkt am Lindenau-Museum lag bisher vor allem auf Kulturgutverlusten während der NS-Zeit. Inzwischen beschäftigt das Haus jedoch eine zweite Expertin, die den Bestand im Hinblick auf Erwerbungen mit SBZ/DDR-Unrechtskontexten, die in Zusammenhang mit der Bodenreform, "Schlossbergungen" und "Republikflucht" oder Ausreisen stehen könnten, untersucht.

Bei Fragen oder Hinweisen zur Herkunft von Kunstwerken aus dem Lindenau-Museum kontaktieren Sie bitte:

Sarah Kinzel (NS-verfolgungsbedingter Entzug):
kinzel@lindenau-museum.de

Marianne Lose (Erwerbungen mit SBZ/DDR-Unrechtskontext):
lose@lindenau-museum.de

Video-Podcast zum Tag der Provenienzforschung 2023