2018
Die Welt von gestern. Malerei und Grafik des 19. Jahrhunderts
Das sogenannte lange 19. Jahrhundert dauerte von der Französischen Revolution 1789 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914. In diesen
125 Jahren wurden alle Weichen für die Welt, wie wir sie kennen, gestellt. Ungebremste Industrialisierung, das Erwachen nationaler Ideologien und heroische Umdeutungen der Geschichte stehen neben Romantik, biedermeierlichen Rückzugsgedanken und der Sehnsucht nach einer idealisierten Ferne.
Wenn wir heute auf Gemälde mit Szenen aus dem Mittelmeerraum blicken, können wir die gegenwärtige Flüchtlingskatastrophe nicht ausblenden. Wenn wir Waldidyllen betrachten, haben wir die durch den Klimawandel verursachten Naturkatastrophen vor Augen.
Und auch wenn sie schon damals nicht das war, was wir nostalgisch in sie hineinlegen, bezaubert uns die Welt von gestern. Aus den reichen Beständen des Lindenau-Museums zeigen wir kaum bekannte Landschaften und Genrebilder, aber auch Darstellungen mythischer Geschichten und vergessen dabei nicht die in Altenburg tätigen Maler der Zeit.
Die Spanne der Künstler reicht von Carl Gustav Carus, Filippo Agricola, Ludwig Doell bis Gotthard Kühl, Karl Moßdorf, Ferdinand von Rayski, Albert Rieger und Théodore Rousseau.
Die einzig revolutionäre Kraft. Kunst und Revolution 1918 und 1968
Verlängert bis 20. Januar 2019!
Vor 100 Jahren schlossen sich viele Künstler, die traumatisiert aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrten, zu revolutionären Vereinigungen zusammen. Im Zuge der Oktoberrevolution in Russland sollte mit künstlerischen Mitteln die Vision einer neuen Gesellschaft realisiert werden – jenseits von Militarismus, Nationalismus und Kapitalismus. Fünfzig Jahre später schien die Möglichkeit einer besseren Welt erneut greifbar: Im Jahr 1968 kulminierten weltweit Proteste gegen den Vietnamkrieg, gegen die Elterngeneration, gegen Repression und Denkschranken. Ein wichtiger Träger dieser Bewegung war die Kunst. Hier konnten neue Formen des Zusammenlebens spielerisch erprobt, Utopien formuliert und Zeitgeschichte kommentiert werden.
Die Altenburger Ausstellung fragt anlässlich des doppelten Jubiläums nach dem beiden historischen Ereignissen innewohnenden revolutionären Potenzial von Kunst und stellt sich die Frage, wo diese entscheidende Kraft der Kunst heute geblieben ist. In drei Räumen erleben die Besucher die Jahre 1918 und 1968 durch den Spiegel der Kunst, um sich schließlich in der Gegenwart wieder zu finden, wo die Kunst erneut als Möglichkeitsform des Widerstandes entdeckt wird. Gezeigt werden u. a. Arbeiten von Conrad Felixmüller, George Grosz, Elisabeth Voigt, Klaus Staeck, Carlfriedrich Claus, Wolfgang Mattheuer, A. R. Penck, Volker Stelzmann, den Wiener Aktionisten, Jonathan Meese und Joseph Beuys, dem ein Satz zugeschrieben wird, der dieser Ausstellung den Titel gegeben hat: „Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kunst.“
Gerhard Kurt Müller. Maler / Bildhauer / Zeichner
Gerhard Kurt Müller gehört zu den wichtigsten Repräsentanten der „alten“ Leipziger Schule. Seine kraftvollen Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken zeigen den ungebrochenen Willen eines Humanisten, der in einer grausamen und menschenfeindlichen Welt Haltung zu bewahren sucht.
Die Ausstellung versammelt Hauptwerke aus den letzten 50 Jahren, darunter viele seiner großformatigen Gemälde. Dazu treten Holzskulpturen und Köpfe seines bildhauerischen Œuvres, die den in seiner Existenz bedrohten, verwundeten und hoffenden Menschen zeigen. In einem zweiten Teil wird das zeichnerische und grafische Werk Müllers ausführlich präsentiert – die Blätter aus der Folge „La grande guerre“ stehen dabei im Zentrum. Das sich hinter Masken verbergende Böse wird hier wie auf anderen Werken vom schonungslosen Duktus Müllers in elementaren Gesten demaskiert.
Müller wurde 1926 in Leipzig-Probstheida geboren. Nach traumatischen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und dreijähriger Kriegsgefangenschaft in Frankreich bewarb er sich 1948 an der Akademie für Grafik und Buchkunst Leipzig und wurde dort Schüler von Elisabeth Voigt. Gemeinsam mit Bernhard Heisig prägte er die Hochschule in den turbulenten 1960er Jahren maßgeblich und war von 1964 bis 1966 ihr Rektor. Seit 1968 arbeitete er als freischaffender Maler und widmete sich seit 1973 auch der Bildhauerei.
Karl-Heinz Bernhardt. Bernhard-von-Lindenau-Stipendium 2018
Auf den ersten Blick muten sie wie Totemfiguren einer unergründlichen Parallelwelt an. Auf schlichten weißen Sockeln ruhen die magisch-bizarren Objekte von Karl-Heinz Bernhardt, dem diesjährigen Preisträger des Bernhard-von-Lindenau-Stipendiums. 2016 wurde er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig diplomiert.
Seine stelenartigen Objekte hat der Künstler mit größter Präzision handwerklich überzeugend ausgeführt. Unterschiedlichste Materialien – Gefundenes, Geformtes und Zweckentfremdetes – führt er in einem fast alchemistisch anmutenden Akt zu neuen Einheiten zusammen.
In diesen Miniaturwelten steht alles wie selbstverständlich miteinander in Verbindung und Wechselwirkung, jede Ansicht offenbart ein neues Detail.
Im Sinne des Museumsgründers befähigt das Bernhard-von-Lindenau-Stipendium seit 2006 junge Künstler im Anschluss an ihr Studium zu unabhängiger und experimenteller Arbeit, deren Ergebnisse im Rahmen einer Sonderausstellung im Museum der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Das Runde und das Eckige. Fußball in der Kunst
Fußball ist bekanntlich unser Leben, aber was wäre das Leben ohne Kunst? Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland öffnet das Lindenau-Museum seine Tore für jene Ballkünstler, die das Runde im Eckigen mit Pinsel, Nadel oder Stift meisterhaft unterzubringen verstehen. Seit sich der moderne Fußball im 19. Jahrhundert in England etablierte, setzten sich auch Künstler mit dem Phänomen auseinander – als gesellschaftliche Studie, aus ästhetischen Gründen oder schlicht aus Leidenschaft.
Harun Farockis Filminstallation Deep Play, die das WM-Finale 2006 zwischen Italien und Frankreich umkreist und auf der documenta XII gefeiert wurde, ist in Altenburg erneut in einer reduzierten Version zu erleben. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden grafische Arbeiten von Künstlern der Leipziger Schule wie Wolfgang Mattheuer, Rolf Münzner oder Peter Schnürpel.
Daneben stellt sich bei Arbeiten von Max Klinger und Willi Baumeister die Frage nach dem Idealbild eines Sportlers und einer von Kommerz, Doping und Populismus gekennzeichneten Realität. Die legendären Fußballspiele der Leipziger Art Breaker gegen die Mannen von Clara Mosch aus Karl-Marx-Stadt werden schließlich in Fotos von Ralf-Rainer Wasse erstmals ausführlich präsentiert.
Wem das Schauen nicht genug ist, der findet in einem umfassenden Begleitprogramm Möglichkeiten der künstlerischen und sportlichen Betätigung. Sport frei!
Im Land Kalevas. Irene Suhr – Malerei und Reisen
Jeder Mensch ist ein Reisender, ein Sammler und ein Spieler. Um zu erkennen und zu empfinden, wollen wir in der schnelllebigen Moderne das Flüchtige festhalten und die Zeit auflösen – oft vergeblich, denn die Natur lässt sich genauso schwer fassen, vermessen oder archivieren wie Träume oder Mythen. Irene Suhr ist sich dieser Vergeblichkeit des menschlichen Verlangens nach dem Festhalten des Flüchtigen bewusst und setzt dem Lauf der Dinge trotzdem ihr künstlerisches „Verweile doch!“ entgegen. Sie begibt sich auf den Spuren Humboldts und in Finnland, dem Land Kalevas, auf die Suche nach der unfassbaren Natur – und der Natur des Menschen. So entstanden Bilder und Installationen, in denen die Vergänglichkeit des Lebendigen aufscheint und die Natur sich selbst malt.
Die Bühnenbildnerin und Künstlerin Irene Suhr (geb. 1965) lebt und arbeitet in Berlin. Nach einem Studium der Architektur und Malerei an der Universität der Künste begleitete sie zahlreiche Bühnenprojekte, u. a. an der Semperoper Dresden und dem Radialsystem Berlin. Ihre Kunst wurde im In- und Ausland gezeigt.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit Theater & Philharmonie Thüringen, wo Irene Suhr das Bühnenbild und die Kostüme für Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“ entwirft, die am 27. Mai 2018 am Landestheater Altenburg Premiere feiert.
Buben Damen Könige – Rolf Szymanski und Gerhard Altenbourg
Der Bildhauer Rolf Szymanski (1928–2013) war ein enger künstlerischer Weggefährte von Gerhard Altenbourg (1926–1989). Beide Künstler wurden zunächst von der Westberliner Galerie Springer und später von der Galerie Brusberg vertreten. Dieter Brusberg war es auch, der bereits in den 1990er-Jahren Altenbourg und Szymanski gemeinsam ausstellte. Das Menschenbild, vor allem die weibliche Figur, steht im Zentrum von Szymanskis Kunst. Die Liebesgöttin Astarte, die „Warschauer Nixe“, das „Fräulein in Algier“ sind nur einige der Damen, die sein Werk bevölkern: deformiert, flüchtig – er nennt es „éphémère“ – und immer auch erotisch.
Mythologie und Dichtung sind für beide Künstler wesentliche Inspiration, die Titel der Werke zeigen es deutlich und verweisen auf verwandte Arbeitsprozesse. So beginnt eine große Anzahl von Bronzefiguren Szymanskis einen Dialog mit Arbeiten Altenbourgs. 2018 wäre Rolf Szymanski neunzig Jahre alt geworden. Dies ist uns Anlass, vor allem die Bronzestatuetten aus dem Besitz von Gerhard Altenbourg, aber auch weitere Arbeiten Szymanskis aus zwei Privatsammlungen den Zeichnungen Altenbourgs gegenüberzustellen und so der geistigen Verwandtschaft beider Künstler nachzuspüren.
Berliner Blätter. Aus der Sammlung Volker Sachse
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Berlin zu einer dynamischen Kulturmetropole, die gerade für progressive Künstler schnell zu einem wichtigen Anziehungspunkt wurde. Aus dem gesamten Reichsgebiet zog es sie zu Studium, Lehre oder freiberuflichem Schaffen in die Hauptstadt. Viele der in Berlin ansässigen Künstler bezogen wichtige Impulse aus den verschiedenen Milieus der rastlosen Großstadt, deren Eigenheiten sich in ihren Werken entfalten. Betriebsame Straßen, prallgefüllte Cafés und Zirkustribünen, schmucklose Vorortgegenden und urige Typen treten immer wieder in Erscheinung. Zumeist steht dabei der Mensch im Zentrum der Betrachtung – als Teil einer anonymen Masse oder im Bildnis scharf gezeichnet in gezielter Abhebung von eben dieser.
Für die Ausstellung schöpft das Lindenau-Museum erstmals aus der umfänglichen Grafiksammlung Volker Sachses (1936–2011), die der gebürtige Berliner dem Museum vermacht hat.
Sie umfasst zahlreiche Ost- und Westberliner Positionen der Nachkriegsjahrzehnte, ihren Kernbestand bildet jedoch die deutsche Grafik der Jahre 1914 bis 1933. Diesen größtenteils in Berlin entstandenen Druckgrafiken und Zeichnungen widmet sich die Sonderschau in dem Anliegen, eine Impression der bewegten Kunstszene jener Zeit zu vermitteln. Gleichzeitig spiegelt sich in der Werkauswahl die Sammlerpersönlichkeit Sachses, der nicht nur bekannte Künstler enthusiastisch gesammelt hat, sondern auch heute kaum noch beachtete, deren Schaffen aber nicht minder interessant ist.
Gezeigt werden u. a. Arbeiten von Ernst Barlach, Max Beckmann, August Wilhelm Dressler, Rudolf Großmann, Erich Heckel, Hannah Höch, Käthe Kollwitz, Bruno Krauskopf, Rudi Lesser, Max Pechstein und Georg Tappert.
Gerhard-Altenbourg-Preisträger 1998-2017
Der Gerhard-Altenbourg-Preis gehört zu den wichtigen Kunstpreisen des deutschen Sprachraums. Im Jahr 2017 wird er zum zehnten Mal vergeben: Geehrt wird die Schweizerin Pia Fries, und damit erstmals eine Künstlerin. Das Lindenau-Museum nimmt die zehnte Preisvergabe zum Anlass, auf die bisherigen Preisträger und ihre Ausstellungen in Altenburg zurückzublicken. Von den erkenntnistheoretischen Collagen Carlfriedrich Claus’, dem Existenzialismus Roman Opalkas bis zu der Geschichte und Mythos beschwörenden Bildsprache Cy Twomblys: Stets wurden Künstler geehrt, die sich wie Gerhard Altenbourg sichtbar mit Philosophie, Literatur, Kunst und Natur auseinandersetzten und einer reflektierten Verbindung von Geschichte und Gegenwart nachgingen.
Ob in der Malerei Walter Libudas und Lothar Böhmes, in den Installationen Olaf Holzapfels und Micha Ullmans oder den so poetischen wie philosophischen Bildwelten von Markus Raetz und Michael Morgner: Seit nunmehr zwei Jahrzehnten macht der Gerhard-Altenbourg-Preis auf Kunst aufmerksam, die sich in ihrer bedingungslosen Unabhängigkeit behauptet. In der Ausstellung begegnen sich je zwei Preisträger in einem Dialog. Eine Fotodokumentation erinnert an die vergangenen Präsentationen im Lindenau-Museum.
Vier Winde – Pia Fries. Gerhard-Altenbourg-Preis 2017
Der Gerhard-Altenbourg-Preis 2017 geht an die Schweizerin Pia Fries. Die 1955 in Beromünster im Kanton Luzern geborene Künstlerin ist eine Vertreterin der reinsten Malerei. Das Spiel der Farben, das sich frei von allen Bindungen auf weißer Fläche entwickelt, ist ihre Botschaft. Ihre Farben sind Energien, die sich ständig wandeln, verbinden und von der Kraft der Kunst künden. Auf ihren furiosen Bildern ist alles Schöpfung und Metamorphose – die schönste Parabel auf das Leben, die sich zwischen den Polen Werden und Vergehen, Ruhe und Bewegung ereignet. Das schöpferische Prinzip schlechthin bricht sich in den Bildern von Pia Fries Bahn.
Pia Fries lebt und arbeitet in Düsseldorf und München. Nach einem Studium an der Kunstgewerbeschule Luzern (1977 bis 1980) wechselte sie an die Kunstakademie Düsseldorf. Dort studierte sie von 1980 bis 1986 Malerei und schloss als Meisterschülerin bei Gerhard Richter ab. Es folgte ein Lehrauftrag an der Kunstakademie Düsseldorf und Professuren an der Kunstakademie Karlsruhe sowie an der Universität der Künste Berlin. Seit Februar 2014 hat Pia Fries eine Professur für Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste München inne. Ihre Werke sind in namhaften nationalen und
internationalen Sammlungen vertreten. Pia Fries wurde vielfach mit Preisen ausgezeichnet, darunter der Fred-Thieler-Preis der Berlinischen Galerie und der Kunst- und Kulturpreis der Stadt Luzern.
In Altenburg präsentiert Pia Fries neben neuen Arbeiten Werkgruppen aus den letzten drei Jahrzehnten, darunter eine Bilderserie, die in Auseinandersetzung mit Maria Sibylla Merian entstanden ist. Über Siebdrucke mit Fragmenten aus Merians Bildern setzt die Künstlerin ihre mannigfaltigen Farben und vegetabilen Formen – ein Verfahren, das auch in einer anderen Werkgruppe zu Hendrick Goltzius' berühmten „Himmelsstürmern“ Anwendung fand, die ebenfalls zu sehen ist. Einen besonderen Schwerpunkt bildet das zeichnerische Œuvre der Künstlerin, das in seiner ganzen Breite präsentiert wird.
Der Gerhard-Altenbourg-Preis wird großzügig gefördert von der Thüringer Staatskanzlei, der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und der Sparkasse Altenburger Land.